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Ukraine-Flüchtlinge: Noch immer wird jede helfende Hand gebraucht

Vor über drei Monaten begann der Krieg in der Ukraine. Wir haben mit der Ärztin Anke Schölmerich, die als Ehrenamtliche den Verein „Münchner Freiwillige – Wir helfen e.V. (MFWH)“ unterstützt, über die Situation der Ukraine Flüchtlinge in Deutschland gesprochen.

Ukraine-Flüchtlinge in Notunterkünften – es gibt viel zu tun

Was macht der Verein „MFWH“ – wurde er speziell für die Ukraine Flüchtlinge gegründet?

Anke Schölmerich: Nein, den MFWH gibt es bereits seit 2015. Er setzt sich generell mit unterschiedlichen Projekten und Hilfsangeboten für Geflüchtete, Migranten und Personen ein, die Spontanhilfe benötigen. Aus gegebenem Anlass konzentrierte sich die Hilfe in den vergangenen Wochen allerdings auf Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Der Verein vermittelt Privatunterkünfte, stellt freiwillige Helfer sowie Dolmetscher zur Verfügung, die in den Notunterkünften der Stadt München aushelfen, und versorgt über ehrenamtliche Ärztinnen und Ärzte die Menschen in den Notunterkünften medizinisch.

Wie wurden Sie als ehrenamtliche Ärztin eingesetzt?

Anke Schölmerich: In den vergangenen Wochen wurden vom MFWH verschiedene Notunterkünfte unterstützt. Als Ehrenamtliche habe ich initial als freiwillige Helferin mitgeholfen, also beispielsweise bei der Kleider- oder Essensausgabe. Aber als Ärztin gehörte natürlich auch die ärztliche Grundversorgung der Geflüchteten zu meinen Kernaufgaben. Ich habe zum Beispiel Medikamente verteilt, denn selbst gängige Schmerz- und Fiebermittel, die es rezeptfrei in der Apotheke gibt, dürfen in den Flüchtlingsunterkünften nur von Ärztinnen und Ärzten ausgegeben werden.

Anke Schölmerich

Über Anke Schölmerich

Anke Schölmerich ist als Ärztin in internistischer Weiterbildung in der onkologischen Abteilung des Klinikums „Dritter Orden“ in München angestellt. Seit 2 Monaten unterstützt sie zudem als Ehrenamtliche den Verein „Münchner Freiwillige – wir helfen e.V.“. Sie hat vier Kinder im Alter von 1 bis 14 Jahren.

Die medizinische Versorgung der Ukraine-Flüchtlinge haben inzwischen Ärzteteams der Stadt München übernommen, die durch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) organisiert werden. Sie fahren einmal pro Tag jede Flüchtlingsunterkunft an und versorgen dort Patientinnen und Patienten.

Warum werden trotzdem noch Personen mit medizinischem Hintergrund benötigt?

Anke Schölmerich: Menschen mit medizinischem Sachverstand, wie zum Beispiel Medizinstudentinnen und -studenten, sind enorm wichtig, um die medizinische Situation vor Ort einzuschätzen. Wenn einmal pro Tag das Ärzteteam der KVB zu den Notunterkünften fährt, geht es zum Beispiel darum, die Patientinnen und Patienten je nach Schwere ihrer Erkrankung oder Beschwerden zu priorisieren. 

Bei medizinischen Problemen, die auftreten, wenn das Ärzteteam des KVB nicht anwesend ist, können Ärzte, Medizinstudierende oder andere Berufsgruppen mit medizinischem Hintergrund die Unterkunftsbetreiber beraten, ob sofort Hilfe erforderlich ist. Also ob die Personen schnellstmöglich zu einem niedergelassenen Arzt oder in die Klinik gebracht werden müssen oder ob sie bis zum nächsten Besuch des Ärzteteams noch warten können. So verhindern wir beispielsweise auch, dass die Notrufnummer 112, oder die 116117, die Hotline für medizinische Fragen, unnötigerweise kontaktiert wird.

Wofür wird sonst noch Unterstützung gebraucht?

Anke Schölmerich: Wie oben erwähnt, brauchen wir immer Menschen, die uns unterstützen. Die Kernkompetenz der Münchner Freiwilligen ist vor allem das „Matchmaking“ zwischen privaten Unterkunftsgebern und den Geflüchteten: In den Notunterkünften leben viele Menschen dicht gedrängt – Kinder, Familien, alte Menschen – es gibt wenig Privatsphäre. Daher möchten wir möglichst viele Ukraine-Flüchtlinge in Privatunterkünften unterbringen und suchen daher Freiwillige, die versuchen, Unterkünfte zu finden und zu vermitteln.

Am wichtigsten ist aber: Wir können immer noch jede Unterstützung gebrauchen. Am Anfang des Krieges war die Hilfsbereitschaft riesig, aber wir merken leider, dass sie nachlässt, weil ein gewisser Gewöhnungseffekt eingetreten ist. Gut zu wissen ist: Wenn Menschen helfen wollen, müssen sie dafür nicht ihren kompletten Alltag umkrempeln. Auch eine kleine Zeitspanne, in der sie helfen können, ist wertvoll. Auf der Seite des MFWH gibt es einen Kalender mit den verschiedenen Schichten, die besetzt werden müssen. Da kann man sich ganz einfach eintragen und ein paar Stunden seiner Zeit spenden. Und auch bei der Zimmervergabe brauchen Vermieterinnen und Vermieter keine Angst zu haben, dauerhaft verantwortlich zu sein. Ein freies Zimmer für eine gewisse Zeit zur Verfügung zu stellen, ist schon eine große Hilfe.

Hilfe für Ukraine-Flüchtlinge

Sie möchten sich gerne direkt mit anderen Ärztinnen und Ärzten austauschen, wie Sie ukrainische Flüchtlinge noch unterstützen können? Zum Ärzte-Netzwerk coliquio gehören rund 190.000 Ärztinnen und Ärzte im deutschsprachigen Raum. Die Registrierung ist kostenlos, wir benötigen lediglich einen Approbationsnachweis von Ihnen, um Ihren Zugang freizuschalten.

Bildquelle: © getty images/Vladimir Vladimirov

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Eva Hoppmann

Eva Hoppmann

berichtet für Arzt im Beruf über Wissenswertes rund um Karriere, Praxismanagement und Work-Life-Balance.

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