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Ausländische Ärzte – welche ersten Eindrücke haben sie von Deutschland?

In Deutschlands Praxen und Kliniken arbeiten immer mehr ausländische Ärzte. Was waren ihre ersten Erfahrungen, als sie zu uns gekommen sind? Auf coliquio haben wir Mediziner aus dem Ausland gebeten, uns von ihren Erlebnissen zu erzählen und Tipps für den Neustart zu geben.

Nicht einfach für ausländische Ärzte: Sprachkenntnisse und die deutsche Bürokratie

Ausländische Ärztinnen und Ärzte, die in Deutschland praktizieren möchten, haben einige Hürden zu nehmen. So müssen sie ihre deutschen Sprachkenntnisse mit der Fachsprachprüfung nachweisen und sich ihre Abschlüsse anerkennen lassen. Wie haben sie diese Hürden erlebt? Gab es darüber hinaus weitere Herausforderungen zu Beginn ihrer Tätigkeit in Deutschland? Und welche Besonderheiten sind ihnen aufgefallen? Ärztinnen und Ärzte aus Siebenbürgen, den Niederlanden, Georgien, Österreich und Südafrika, die in verschiedenen Fachbereichen arbeiten, haben uns einen ganz persönlichen Einblick in ihre Erlebnisse gegeben.

So berichtet ein User, dass er Ende der 90er Jahre mit Mitte 50 und 29 Jahren Diensterfahrung im Gepäck nach Deutschland kam. Zuvor hatte er in seiner Heimat Siebenbürgen als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in leitender Stellung in einer Kinderabteilung gearbeitet. Zwar bereitete ihm die deutsche Sprache keine Schwierigkeiten, wohl aber die herausfordernde finanzielle Situation:

„Als Siebenbürger Sachse und nach Abschluss eines deutschen Gymnasiums beherrschte ich die deutsche Sprache sowohl mündlich als auch schriftlich gut. Was ich aber als sehr belastend empfand, war das sogenannte Anpassungsjahr zur Anerkennung meines Studiums und für den Erhalt der deutschen Approbation. In diesem Jahr musste ich quasi wie ein Anfänger auf verschiedenen Stationen ohne Vergütung arbeiten. Meinen Unterhalt sicherte ich mir mit eigenen Ersparnissen, sechs Monaten Eingliederungshilfe und schließlich durch Sozialhilfe. Das war eine sehr schwierige Zeit für mich. Wenngleich die deutschen Kolleginnen und Kollegen alle sehr freundlich und kollegial waren, sowohl während des Anpassungsjahres, als auch später während meiner Tätigkeit als Facharzt für Kinderheilkunde.“

Am Anfang: Schwierigkeiten mit Deutsch führen zu humorigen Situationen

Ein anderer Arzt, der Ende der 80er Jahre von den Niederlanden zu uns wechselte, räumt dagegen damalige Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache durchaus ein, die das ein oder andere Mal zu humorigen Situationen führten:

„Meine Deutschkenntnisse damals waren bescheiden: Als ich in der Volkshochschule von „Frau Dr. Germanistik“ gefragt wurde, ob ich doch mal was Deutsches sagen könne, kam mir als erstes ein Zitat aus einem nachsynchronisierten Cowboy-Film im Deutschen Fernsehen in den Sinn: ‘Ach halt doch die Klappe, oder ich mache einen Aschenbecher aus deinem Schädel’, woraufhin Frau Dr. leichenblass wurde. Auch später kam es aufgrund meiner Wortverwendungen zu lustigen Verwechslungen. So erzählte mir die Pflege, dass viele Patientinnen und Patienten gelacht hätten, wenn ich ihnen gesagt hatte, sie könnten für die Untersuchung ihren Bürstenhalter anlassen. Später bin ich aber gut sprachlich zurechtgekommen, alleine schon, weil Niederländisch und Deutsch viele Ähnlichkeiten haben”.

Außergewöhnliches Engagement, um in Deutschland Fuß zu fassen

Eine Ärztin aus Georgien arbeitet mittlerweile seit 2005 in Deutschland. Ihre Erfahrungen mit dem für sie damals fremden Land sind positiv, aber sie erinnert sich auch an ihr außergewöhnliches Engagement, um anzukommen und Fuß zu fassen:

„Meine erste Stelle hatte ich in einer Praxis, anschließend ging ich in eine Klinik. Dort hatte ich tolle deutsche Kolleginnen und Kollegen, die den einen oder anderen falsch verwendeten Artikel nie bemerkt haben. Auch meinerseits habe ich versucht, meine Vorgesetzten und mein Team nicht zu enttäuschen. Überstunden waren für mich kein Thema und ich habe nur frei genommen, wenn kein anderer seine Urlaubstage nehmen wollte. So habe ich zum Beispiel nie Brückentage genutzt. Aber, das war meine Investition in meine ärztliche Tätigkeit und gehörte zu meiner Qualitätssicherung. Wie oft bin ich erst um 22:00 Uhr nach Hause gefahren, nachdem ich alle Briefe geschrieben hatte. Einmal, in einer Reha-Klinik, musste ich sogar den Hausmeister wecken, da alle Türen schon geschlossen waren. Zusammenfassend bin ich sehr zufrieden und glücklich, als Ärztin in Deutschland zu arbeiten. Die Kollegen sind klasse, die Patienten sind nett und die Arbeitsbedingungen lassen sich ertragen.“

Tipps von ausländischen Ärzten für Kollegen, die neu nach Deutschland kommen

Augenfällig für ausländische Ärzte die in Deutschland arbeiten: Unterschiede im Gesundheitssystem

Eine Ärztin arbeitet seit 2004 in Deutschland und hatte mit sprachlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, obwohl sie Österreicherin ist:

„Ich wurde hier in Deutschland sehr herzlich aufgenommen und fühle mich nach wie vor sehr wohl. Dafür ein herzliches Dankeschön an alle Kollegen. Allerdings hatte ich schon auch meine Sprachbarriere mit einem Dialekt auf einer friesischen Insel und dann später mit einem Berliner Patienten. Nicht zu vergessen die sächsischen Landsleute. Da musste ich mich auch erstmal reinhören….“

Eine weitere Ärztin, die uns einen Einblick in ihre Erfahrungen gegeben hat, kam 2015 aus Südafrika nach Deutschland. Aufgrund ihrer deutschen Herkunft bekam sie ihre Approbation ohne Zusatzprüfung. Dennoch kämpfte auch sie mit der deutschen Sprache:

„Wegen meiner mangelnden schriftlichen deutschen Sprachkompetenz saß ich bis zu zwei Stunden an Entlassungsbriefen, bevor sie sprachlich zufriedenstellend waren. Ich war täglich fix und fertig und stand einem Burn-out sehr nahe.“

Darüber hinaus fielen ihr einige Punkte an der deutschen Medizin ins Auge, die sie geärgert haben:

„Patientinnen und Patienten kommen wegen jeder Kleinigkeiten in die Notaufnahme. Beispielsweise wegen übermäßiger Kalorienaufnahme mit Bauchschmerzen, schon wird ein Rettungswagen gerufen. Und die fehlende Selbstverantwortung trifft auch auf andere Bereiche zu. Egal wie viele Herzinfarkte, Pankreatitiden, Diabetes-Diagnosen es gibt, viele Patientinnen und Patienten ändern nichts an ihrem Verhalten, rauchen und trinken zum Beispiel weiter. Außerdem ist mir in Deutschland auch die Wegwerfmentalität ein Dorn im Auge – von Scheren zu Pinzetten, bis hin zum Essen.“

Ganz frisch in Deutschland ist eine Ärztin aus dem Bereich Kinder- und Jugendmedizin, die seit eineinhalb Jahren als Assistenzärztin in einer kleinen Klinik arbeitet. Ihr Fazit:

„Die Kollegen und auch die Patienten sind sehr nett und sehen, dass ich mir viel Mühe gebe. Aber die Sprache und die Bürokratie sind nicht einfach. Wir ausländischen Ärzte brauchen Zeit und Geduld, um uns einzuleben. Trotzdem bin ich froh, dass ich in meinem Beruf praktizieren darf.“

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coliquio GmbH, Diskussion “Als Arzt nach Deutschland – welche Erfahrungen haben Sie gemacht?”, 29.03.2022

Bildquelle: © Dreamstime.com, Hyotographics

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Eva Hoppmann

Eva Hoppmann

berichtet für Arzt im Beruf über Wissenswertes rund um Karriere, Praxismanagement und Work-Life-Balance.

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