Thunfisch-Salat, der pfeffrig schmeckt
Der Morgen des 53-jährigen Mannes verläuft ganz normal und er fühlt sich gesund. Mittags sucht er sein Lieblingsrestaurant auf und isst einen Ahi Tuna Salad. Beim ersten Bissen fällt ihm auf, dass der Salat irgendwie nach Pfeffer schmeckt. Doch er denkt sich nichts weiter dabei und isst die ganze Portion auf.
Schon 10-15 Minuten später beginnen starke Übelkeit und Bauchkrämpfe, es kommt zu starken, nicht-blutigen Durchfällen. Zudem entwickelt der Mann Kopfschmerzen, Schweißausbrüche und fühlt sich abgeschlagen. Er sucht die Notaufnahme des lokalen Krankenhauses auf.
Bei der Eingangsuntersuchung ist der Patient afebril, tachykard (130/Minute), es bestehen eine Hypotonie (88/57 mmHg) und Tachypnoe (24/Minute). Der Mann verneint Schmerzen in der Brust, Atemnot. Die medizinische Vorgeschichte ist unauffällig und er war zuletzt nicht auf Reisen und hatte keinen Kontakt zu Personen mit ähnlichen Symptomen.
Vermutete Niereninsuffizienz

Es besteht weiterhin eine leichte Übelkeit und ein warmes Gefühl im Bauchbereich. Das Klinikteam verabreicht eine Infusion mit Kochsalzlösung (1 Liter) und ein EKG wird angefertigt (Abb. 1). Dieses zeigt eine Sinustachykardie mit ST-Senkung in den inferior-lateralen Ableitungen und einer leichten Erhöhung in aVR.

Im Labor fallen ein leicht erniedrigter Hämatokrit und niedrige Natriumwerte auf, bei erhöhten Werten für Laktat, Glukose, Blut-Harnstoff-Stickstoff (Blood Urea Nitrogen: BUN) und Kreatinin (Abb. 2). Die behandelnden Ärzte vermuten eine akute Niereninsuffizienz. Ein Myokardinfarkt kann ausgeschlossen werden, da der Troponin-Test normal ausfällt.
Ciguatera, Scombroid-Vergiftung, oder eine allergische Reaktion?
Anhand der Symptome, des EKGs und nach Ausschluss der Differenzialdiagnose, kommen die Ärztinnen und Ärzte auf eine Scombroid-Vergiftung, ausgelöst durch den Thunfischsalat.1

Wie wären Sie in diesem Fall vorgegangen?
Im Ärztenetzwerk coliquio gibt es regelmäßig spannende Kasuistiken. Und das Beste dabei: Sie können selbst einen Tipp zur richtigen Diagnose abgeben. Anschließend erfahren Sie, wie andere Ärztinnen und Ärzte in diesem Fall vorgegangen wären.
Schnelle Erholung durch Behandlung
Die Behandelnden ordnen Adrenalin an, auch wenn keine Atemprobleme oder Schwellungen bestehen. Ebenso werden Steroide und Antihistaminika gegeben, außerdem weitere zwei Liter Kochsalzlösung.

Nach 15-20 Minuten lassen die Symptome des Patienten nach, der Puls liegt bei 100/Minute. Eine weitere halbe Stunde später bessert sich sein Zustand deutlich. Ein erneutes EKG zeigt eine Normalisierung der ST-Strecken (Abb. 3).
Der 53-Jährige fühlt sich bald wieder ganz gesund, von leichten Kopfschmerzen abgesehen. Aufgrund der alarmierenden Symptome bei der Aufnahme und der Auffälligkeiten im EKG bleibt der Mann zur Überwachung eine Nacht in der Klinik.
Am nächsten Tag besteht die Niereninsuffizienz nicht mehr, die Laborwerte liegen wieder alle im Normbereich und der Mann kann entlassen werden. Das Restaurant wird über die Angelegenheit informiert.
Fischvergiftung offenbar durch Thunfischsalat
Der Mann hat eine Scombroid-Vergiftung erlitten, eine Fischvergiftung, die vor allem durch Makrelenartige (Scombridae, z. B. Makrelen, Thunfisch, Sardinen, Hering, …) mit dunklem Fleisch verursacht wird. Bei unsachgemäßer Lagerung und Handhabung kann das im Fisch vorhandene Histidin durch eine Decarboxylase in Bakterien (z. B. Proteus, E. coli, Clostridien oder Pseudomonas) in Histamin umgewandelt werden.
Der Fisch soll vom Fang bis zum Verzehr bei <4°C gelagert werden, um die Bildung von Histamin zu verhindern. Der Prozess ist auch durch Kochen nicht reversibel. Typischerweise treten Symptome innerhalb von 20-30 Minuten auf und dauern 4-48 Stunden an.
Häufige Symptome sind:
- erythematöser Ausschlag
- Kopfschmerzen
- Durchfall
- Bauchkrämpfe
- Sehstörungen
- Übelkeit
- Schweißausbrüche
Die Symptomatik kann einer anaphylaktischen Reaktion ähneln, allerdings ohne ein Anschwellen der Atemwege, Bronchospasmen oder Atemnot. Patienten sprechen meist auf eine Therapie mit Antihistaminika an und die allgemeine Prognose ist bei Scombroid-Vergiftungen gut.
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Weiteres Risiko bei Fischverzehr: Ciguatera
Eine weitere Differenzialdiagnose ist Ciguatera, ein marines Toxin, das in großen Rifffischen in karibischen Gewässern vorkommt. Auch Fälle am Golf von Mexiko sind bekannt. Das Toxin findet sich in bestimmten Planktonspezies, die von den Fischen gefressen werden und ist stabil gegenüber Kälte und Hitze.
Ein charakteristisches Symptom bei Ciguatera ist eine veränderte Temperaturwahrnehmung, die bei etwa der Hälfte der Patientinnen und Patienten auftritt. Die Symptome treten im Gegensatz zur Scombroid-Vergiftung mit einer Latenz von bis zu 12 Stunden auf.
Quellen:
1. Taylor R et al. The Sea Was Angry That Day My Friends: An Inland Case of Acute Scombroid Poisoning With a Twist. Cureus 2021; 13(9): e18394.
Bildquelle: © Getty Images/ALLEKO, © Getty Images/piskunov
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