Der Arzt und Autor Dr. Thomas Meißner beschreibt in seinem faszinierenden Buch „Der prominente Patient“ die Krankengeschichte von 100 bekannten Persönlichkeiten aus aller Welt. Er recherchierte die Schicksale und Tragödien hinter den glänzenden Fassaden von Berühmtheiten aus Wissenschaft und Kultur. Fesselnd beschreibt er, welche Krankheiten das Leben dieser Menschen prägte, deren Karrieren beendete oder zu ihrem Tod führte.
Lesen Sie hier eine Auswahl an Krankengeschichten berühmter Persönlichkeiten aus den Bereichen Kunst und Musik:
Johann Sebastian Bach: Knöcherne Veränderungen durch „Orgelschlagen“

Im Juli 1949 hatte der Berliner Chirurg Wolfgang Rosenthal im Rahmen einer (erneuten) Umbettung der sterblichen Überreste Johann Sebastian Bachs (1685-1750) aus der zerstörten Johanniskirche in Leipzig die Gelegenheit, die Gebeine des ehemaligen Thomaskantors in Augenschein zu nehmen.
„Ich hatte … den Eindruck einer multiplen Exostosen-Bildung am Beckenring, an den Lendenwirbeln und an den Fersenbeinen“, berichtete er.
Auch an den Oberarm- und Unterarmknochen seien die Muskellinien „auffallend kräftig“ ausgebildet gewesen.
Rosenthal führte dies auf die immer wiederkehrenden Muskelaktivitäten beim Orgelspiel seit früher Jugend zurück. Bekannt seien ähnlich knöcherne Erscheinungen auch von Armen und Beinen passionierter Reiter sowie von Soldaten und Sportlern (Reiter- und Exerzierknochen). Orgeln müssen zu Bachs Zeiten oft schwer spielbar gewesen sein, man sprach vom „Orgel-Schlagen“.
Auguste Renoir: Ballspiele gegen das Rheuma

Man sieht den Werken von Pierre-Auguste Renoir (1841-1919) nicht an, ob er sie mit der rechten oder seiner linken Hand gemalt hat. Oder womöglich im Laufe seiner Erkrankung sogar mit einer extrem deformierten Hand – bei nahezu vollständiger Bewegungsunfähigkeit.
Denn ab einem Alter von etwa 50 Jahren litt der Maler unter Symptomen einer rheumatoiden Arthritis, die ihn die letzten 7 Lebensjahre an den Rollstuhl fesselten.
Fast bewegungsunfähig, kachektisch, gequält von Schmerzen und Dekubital-Ulzera malte er dennoch großformatige Bilder, indem er verschiedene Hilfsmittel benutzte.
Zunächst kämpfte er gegen die zunehmende Unbeweglichkeit an, indem er mit Lederbällen jonglierte, Billard oder Federball sowie ein Geschicklichkeitsspiel mit einem Stab und einer Kugel (Bilboquet) spielte. Der Rheumatologe Dr. Henning Zeidler aus Hannover hat Renoir deshalb als „Erfinder der Ergotherapie“ bezeichnet. An seinem letzten Lebenstag malte Renoir Anemonen, die das Hausmädchen für ihn gepflückt hatte. „Ich glaube, allmählich verstehe ich etwas davon“, soll er gesagt haben – und starb in der gleichen Nacht.
Bob Marley: Malignes Melanom am großen Zeh

Bei dem Reggae-Musiker Bob Marley (1945-1981) soll 1977 am rechten großen Zeh ein malignes Melanom festgestellt worden sein, nachdem er wegen einer Verletzung beim Fußball einen Arzt aufgesucht hatte.
Marley äußerte angeblich gegenüber seinem Manager, dort hätte bereits seit Jahren eine mal offene, mal geschlossene Wunde bestanden. Eine Amputation des Zehs lehnte der Musiker ab. Lediglich Nagel und Nagelbett wurden entfernt und ein kleiner Hautlappen vom Oberschenkel transplantiert.
Es soll sich um ein akrolentiginöses Melanom gehandelt haben. Wer diese Diagnose gestellt hat, ist unklar. Nur 4 % der Melanom-Patienten erkranken an diesem Subtyp.
Im September 1980 schließlich bricht Marley beim Joggen im New Yorker Central Park zusammen. Ärzte finden Metastasen in Leber, Lunge und Gehirn. Wenig später gibt er sein letztes Konzert und reist nach Deutschland. Er verbringt ein halbes Jahr am Tegernsee in der alternativ-medizinischen Ringberg Klinik des umstrittenen „Wunderheilers“ und Arztes Dr. Josef Issels in Rottach-Egern. Marley schafft es anschließend nicht mehr nach Hause und stirbt nach einer Zwischenlandung in Florida.
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Ludwig van Beethoven: Ursache von Taubheit und löwenartiger Erscheinung

Aus dem Protokoll der Obduktion des Leichnams Ludwig van Beethovens (1770-1827), weiterer Befunde sowie dem Abgleich mit den Symptomen seiner Schwerhörigkeit kann man schließen, dass der Komponist an einem Morbus Paget gelitten haben muss.
Die progrediente Skelettkrankheit geht lokal mit deutlich verstärktem Knochenumbau einher. 30 bis 50 % der Paget-Patienten mit Schädelbefall leiden unter Schwerhörigkeit.
Ursache dafür sind ankylosierte Ohrknöchelchen und/oder eine Kompression des Nervus vestibulocochlearis.
Erste Anzeichen von Schwerhörigkeit waren bei Beethoven bereits mit 26 Jahren aufgetreten. Etwa 10 Jahre später war er vollständig taub. Der Prosektor hatte eine außergewöhnlich dichte und sehr dicke Schädelkalotte vorgefunden.
Eine 1812 beim 41-jährigen Beethoven abgenommene Lebendmaske zeigt eine ausgeprägte Stirnbildung. Und eine Fotografie des 1863 exhumierten Skelettschädels offenbart auffallend irreguläre und große Jochbeine. Dies, so ein US-amerikanischer Pathologe, sei gelegentlich bei M. Paget der Fall und habe zur leicht „löwenartigen Erscheinung“ des Komponisten beigetragen.
Andy Warhol: Ein Fremder auf dem Planeten Erde

Das exzentrische Verhalten und die Kunst des US-Stars (1928-1987) wird mit dem Asperger-Syndrom in Verbindung gebracht.
Legendär sind seine einsilbigen Interviews. Er antwortete inadäquat wie ein Kind, konnte mit den Fragen oft nichts anfangen. Ein Fremder auf dem Planeten Erde…
3 Kernsymptome kennzeichnen das Asperger-Syndrom: nichtverbale Kommunikationssignale werden vermindert wahrgenommen, es gibt sprachliche Kommunikationsstörungen sowie stereotype Verhaltensweisen. Andererseits zeichnen sich Asperger-Persönlichkeiten oft durch Inselbegabungen aus.
Bei Warhol war dies die grafisch-künstlerische Begabung. Sein Markenzeichen: die ständige Wiederholung von Bildmotiven aus dem Alltag. Oder immer wieder reproduzierte Abbildungen Prominenter wie Marilyn Monroe oder Elvis Presley. Von „Campbell’s Soup Cans“ fertigte er 32 fast identische Bilder, weil es die Suppe in 32 Geschmacksrichtungen gab.
In Gesellschaft verhielt sich Warhol linkisch und scheu. Stets war er völlig eingenommen von seiner Arbeit – dem einzigen Thema, über das er angeblich überhaupt redete. Er starb 1987 wahrscheinlich an den Folgen einer Gallenblasen-Operation.
Dieser Beitrag ist im Original auf Medscape.de erschienen.
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