Praxisgründung: Das sind die Motive für den Veränderungswunsch
Erfahrungsgemäß entwickelt sich der Wunsch, eine eigene Praxis zu gründen, bei Ärztinnen und Ärzten nach dem Examen während ihrer Facharztausbildung. Diese findet in Deutschland in den allermeisten Fällen in einer Klinik statt.
Den Alltag dort erleben junge Ärztinnen und Ärzte häufig mit vielen Nacht- und Wochenenddiensten, Zeitmangel, Überstunden sowie Druck und Stress. Außerdem stellen viele nach der Familiengründung fest, dass die Vereinbarkeit von Job und Familie nicht immer optimal gegeben ist. Diese Umstände führen dazu, dass eine eigene Praxisgründung als Alternative erscheint, bei der man mehr Selbstbestimmung und flexiblere Arbeitszeiten realisieren kann.

Wenn man sich als Ärztin oder Arzt mit dem Thema Praxisgründung beschäftigt, sollte einem klar sein, dass die Dienstbelastung erstmal niedriger, das Tätigkeitsspektrum breiter und die Verantwortung sowie die Verwaltungsaufgaben größer werden.
Boris Bull
Während der Arzt-Ausbildung rechtzeitig orientieren
Eine Privatpraxis gründen kann man direkt nach der Approbation. Um als Vertragsarzt eine Zulassung bei den gesetzlichen Krankenkassen zu erhalten, ist der Facharzttitel die Voraussetzung. Junge Ärztinnen und Ärzte sind daher im Schnitt zwischen 30 und Anfang 40, wenn sie eine Praxisgründung ernsthaft ins Auge fassen. Diese vorbereiten sollten sie jedoch schon weit früher im Lebenslauf. So empfiehlt es sich, in den Phasen während der Arzt-Ausbildung mit verschiedenen Facharztpraxen Kontakt aufzunehmen und dort zu hospitieren, also ein unbezahltes Praktikum zu absolvieren.
Gerade Ärztinnen und Ärzten, die zwar schon ganz sicher wissen, dass sie später mal eine eigene Praxis haben möchten, aber noch nicht wissen, welcher Fachbereich am besten zu ihnen passt, können so wertvolle Erfahrungen sammeln, die ihnen bei der Entscheidung nützlich sein können.
Außerdem ist es hilfreich, wenn man bestimmte Kurse, wie beispielsweise einen Sono-Kurs und einen EKG-Kurs schon rechtzeitig absolviert, da in der Phase der Praxisgründung viele andere Dinge auf der To-do-Liste stehen. Das Gleiche gilt auch für die erste Beschäftigung mit wirtschaftlichen und juristischen Themen. Ärztinnen und Ärzte mit eigener Facharztpraxis sind letztlich nicht mehr nur medizinisch tätig, sondern auch unternehmerisch.

Über Boris Bull
Boris Bull ist unabhängiger Finanzmakler und Inhaber der Ärzteberatung Die FinanzDocs, welche Ärztinnen und Ärzte während ihrer gesamten Karriere zu allen Wirtschafts-, Finanz- und Versicherungsfragen berät. Einer seiner Schwerpunkte ist die Existenzgründungs- und Niederlassungsberatung, um Medizinerinnen und Medizinern in die erfolgreiche Selbständigkeit zu verhelfen.
Bleibe ich angestellter Arzt, oder gründe ich eine Praxis?
Die Herausforderungen der Selbständigkeit sollten nicht unterschätzt werden, da neben den fachlichen Herausforderungen auch die Tätigkeiten eines Unternehmers hinzukommen. Wer mit dem Gedanken spielt, die sichere ärztliche Anstellung zu verlassen, sollte sich folgende Fragen stellen:
Checkliste
- Habe ich schon länger den Wunsch eine Praxis zu gründen? Oder ist die Idee nur vorübergehend, weil ich momentan eine belastende Arbeitssituation in der Klinik habe, die sich mittelfristig auch wieder verbessern kann?
- Stören mich die hierarchischen Strukturen in der Klinik, weil ich meine Patientinnen und Patienten dadurch nicht so versorgen kann, wie ich es ärztlich für richtig empfinde?
- Halte ich die möglichen Unsicherheiten einer Existenzgründung aus und komme damit zurecht, dass mein Einkommen gerade am Anfang schwanken wird?
- Ist mir bewusst, dass ich für einige Gründungsvorbereitungen in Vorleistung treten muss und habe ich die dafür nötigen finanziellen Rücklagen oder Finanzierungsmöglichkeiten?
- Ist mir klar, dass ich gerade in der ersten Zeit genau so viel oder sogar noch mehr arbeiten muss als ein angestellter Arzt?
- Steht meine Familie hundertprozentig hinter mir und ist bereit, mich bei der Praxisgründung zu unterstützen und Verständnis für die hohe Arbeitsbelastung aufzubringen?
- Bin ich bereit mich in kaufmännische, betriebswirtschaftliche und juristische Themen einzuarbeiten, zumindest soweit, dass ich entsprechende Dienstleister beauftragen kann?
- Ist mir bewusst, dass ich mit der Praxisgründung auch Führungskraft werde und Verantwortung für mein Team übernehmen muss?
Austausch mit Kollegen
Sie möchten sich zum Thema Praxisgründung gerne austauschen? Im Ärztenetzwerk coliquio können Sie mit anderen Ärztinnen und Ärzten direkt in Kontakt treten.
Bildquelle: © getty images/Henglein and Steets, © Boris Bull
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