Negative Bewertungen - auch für Arztpraxen relevant
Kann Arztpraxen eine negative Bewertung egal sein?
Imanuel Schulz: Um das mal einzuordnen: Nichts wird im Internet lokal so häufig gesucht wie Restaurants und Arztpraxen. Selbstverständlich geht es Patientinnen und Patienten nicht nur darum, eine Adresse zu erhalten, sondern sich auch einen ersten Eindruck zu verschaffen. Dabei können negative Bewertungen und Rezensionen die Reputation einer Praxis beschädigen, im schlimmsten Fall bis hin zur Existenzgefährdung. Außerdem belasten manche Behauptungen auch persönlich, nicht jeder steckt so etwas einfach weg. Natürlich gibt es auch Ärztinnen und Ärzte, die so überlaufen sind, dass ihnen Interneteinträge egal sind, aber letztendlich kommen die meisten Praxen nicht darum herum, sich um negative Bewertungen zu kümmern, falls sie welche erhalten.
Um welche Internetdienste handelt es sich, bei denen Ärztinnen und Ärzte bewertet werden?
Imanuel Schulz: Im Grunde gibt es momentan drei: Google sowie die Portale jameda und sanego. Auf Google können Arztpraxen nach einem 5-Sterne-Prinzip bewertet werden, bei jameda erhalten sie Noten von 1-6 und sanego arbeitet mit einer 0-10-Punktebewertung. Außerdem können Patientinnen und Patienten auf allen drei Plattformen individuelle Bewertungen in Textform schreiben.
Sowohl jameda als auch sanego bieten Premiummitgliedschaften an, bei denen beispielsweise Fotos hinterlegt werden können und wodurch die Sichtbarkeit gesteigert werden soll.
Auf der anderen Seite werden Ärztinnen und Ärzte auf diesen Plattformen mit einer Art Basisprofil ungefragt gelistet, auch wenn sie keinen Vertrag abgeschlossen haben und das nicht möchten. Dahinter steht eine Kombination aus Telemediengesetz, laut dessen Namen und Adressdaten gespeichert werden dürfen, und dem Recht auf Meinungsfreiheit laut Artikel 5 des Grundgesetzes.
Zwar versuchen einige Ärztinnen und Ärzte, ihre Profile komplett löschen zu lassen, aber das ist äußerst schwierig, weil es regelmäßig neue BGH-Urteile dazu gibt und die Portalbetreiber ihr Geschäftsmodell dementsprechend anpassen. Statt gegen Windmühlen zu kämpfen, ist es also gegebenenfalls sinnvoller, die auf den Portalen erhaltenen Bewertungen zu beobachten.
Wie gehen andere mit negativen Bewertungen um?
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Empfehlung zum Umgang mit einer negativen Bewertung: Nicht kommentieren
Was ist die beste Reaktion auf negative Bewertungen – was raten Sie?
Imanuel Schulz: Zunächst einmal liegt es im Ermessen der Ärztin oder des Arztes, welche Bewertung als besonders negativ empfunden wird. Der Klassiker: Ein Patient beschwert sich über zu lange Wartezeiten. Während diese Kritik an einigen abprallt, stört sie andere massiv. Besonders betroffen sind Praxisinhaber vor allem, wenn die negative Bewertung ihre fachliche Kompetenz betrifft.
Aber unabhängig von der Schwere der Kritik, kann ich aus meiner Erfahrung heraus nur empfehlen, auf negative Bewertungen keinesfalls zu antworten. Das hat gleich mehrere Gründe: In so einer Situation haben Ärztinnen und Ärzte das Bedürfnis, „die Sache richtig stellen zu wollen“. In der Regel schreiben sie zu viel und geben damit Informationen preis, die später von Google oder den Portalbetreibern gegen sie verwendet werden können. Ebenso besteht die Gefahr, die ärztliche Schweigepflicht zu verletzen. Und ganz wichtig: Wenn Bewertungen kommentiert werden, kann es sein, dass sie später unlöschbar werden.
Kann man eine „harmlose“ negative Bewertung dann einfach stehen lassen?
Imanuel Schulz: Inhaltlich mag das im Einzelfall zu vertreten sein. Was man aber bedenken sollte: Jede negative Bewertung zieht die Gesamtbewertung runter. Ein Beispiel: Wenn eine Arztpraxis bei Google zehn Mal eine 5-Sterne-Bewertung und einmal eine 1-Sterne-Bewertung erhält, ergibt sich eine Gesamtbewertung der Note 4,6. Man braucht 70 positive Bewertungen, um eine negative auszugleichen! Natürlich ist die Note 4,6 immer noch gut. Wenn es aber viele Konkurrenten mit der Note 5,0 gibt, gehen Patientinnen und Patienten vielleicht lieber zu einer anderen Arztpraxis. Man sollte Bewertungen daher immer auch im Vergleich zu anderen sehen.
Kann man die Löschung einer negativen Bewertung selbst beantragen?
Imanuel Schulz: Theoretisch ist das möglich, indem man z. B. bei Google einen Richtlinienverstoß meldet. Häufig antwortet Google aber nicht, weil sie die Beschwerde für nicht relevant halten. Darüber hinaus begehen juristische Laien häufig Formfehler, die dazu führen, dass die negative Bewertung nicht gelöscht wird.
Wer sich den Aufwand sparen möchte, braucht eine begründete Rechtsbeschwerde von einer Anwältin oder einem Anwalt, mit der bei Google, jameda und sanego ein so genanntes Prüfverfahren eingeleitet wird. In diesem geht es darum, ob eine Bewertung gerechtfertigt ist und im Internet stehen bleiben darf oder gelöscht werden muss. Wichtig: Die Beweislast, dass man z. B. eine bestimmte Praxis überhaupt besucht hat und dort irgendeine negative Erfahrung gemacht hat, liegt bei den Rezensenten und nicht bei der jeweiligen Ärztin oder dem jeweiligen Arzt.
Durch welche Praxis-Versicherungen sind die Anwaltskosten gedeckt?
Imanuel Schulz: In der Regel sind Anwaltskosten durch die jeweilige Firmenrechtschutzversicherung gedeckt. Sollte diese nicht greifen, bieten viele Kanzleien aber auch Pauschalen pro Löschantrag an. Und noch ein Tipp: Als Ärztin oder Arzt sollte man es sich gut überlegen, ob man sich ein Premiumprofil bei jameda oder sanego anlegt. Denn mit einem eigenen Account dort schadet man sich insofern, als dass man dann Vertragspartner der Plattform ist und die Rechtschutzversicherung in diesem Fall nicht greift.
Last but not least: Was tun bei weiteren negativen Bewertungen?
Imanuel Schulz: Die häufigste Angst von Ärztinnen und Ärzten ist, dass nach einem abgeschlossenen Prüfverfahren erneute negative Bewertungen von der gleichen Patientin oder dem gleichen Patienten kommen. In den allermeisten Fällen passiert das nicht, weil vielen klar geworden ist, dass ihre negativen Bewertungen auf den Internetportalen einen großen Aufwand hinter sich herziehen und sie sich damit strafbar machen können.

Über Imanuel Schulz
Imanuel Schulz ist Rechtsanwalt und Inhaber der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Dein-Ruf.de. Gemeinsam mit seinem Team hat er sich auf negative Bewertungen im Internet und die zur Löschung erforderlichen Prüfverfahren nach BGH spezialisiert.
Bildquelle: © getty images/fizkes, © Imanuel Schulz
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